DieWahrheit.eu Gonzojournalismus im Netz
6.03.2006
  Dem deutschen Volke
Während sich die Kollegen der Wahrheit über Nachwuchs auseitern, Genosse raf mit Tequila gefüllte Schwedenbomben reflektiert und Java Scripts einen morbiden Beigeschmack bekommen, ging ich auf Tournee. Ein Tatsachenbericht...
Morgens halb sieben in Wien. Nein, keine Werbemetaphorik sondern blutstuhliger Ernst. "Wo bleibst du, Arschloch?" Ich habe verschlafen, wische mir die Tablettenreste aus dem Mund und blicke verwundert auf die Dame mit Wimpern wie Drahtborsten an meiner Seite. Nicht nur, dass sie eine thailändische Erasmus-Stundentin mit phragmentarischen Deutschkenntnissen, den ersten Äther-Erfahrung vor wenigen Stunden und weiß Gott kein Mensch mit gesunder Gesichtsfarbe ist, sie ist auch noch pure Phantasie! Ich schüttle meinen Kopf, sie verschwindet nicht. Wir unterhalten uns kurz über fernöstliche Beinamputationsmöglichkeiten, als plötzlich ein Bus auf den Gehsteig vor meinem Haus hält. Ich schütte mir eine Tasse kalten Kaffeesud ins Gesicht, denn das Wasser wurde mir schon vor Wochen abgestellt. "Beeil dich, Sackgesicht! Wir fahren nach Deutschland!"
Eigentlich hätte ich in diesem Augenblick nichts anderes tun sollen, als die Identität zu ändern, aber es war zu spät. Die Tour begann.
Sechs mühsame Stunden Autofahrt. Schengen sei Dank, dass ich mir auf der Grenze nicht in die Hose geschissen habe, wäre ob der im Magen mitgeführten Fracht auch keine allzu kluge Idee gewesen. Wie sollte ich sonst die kommende Woche überstehen? "Dreh die Heizung runter! Hier drin hat es ja eine Hitze wie einem pakistanischen Auffanglager". "Die Heizung ist aus und die Fenster offen. Aber du siehst auch nicht gerade gut aus, mein Freund." Ich nahm die Sonnenbrille ab und traute meinen Augen nicht. (Was ich zwar grundsätzlich nie tue, aber in diesem Fall, wurde die Redensart blanke Gewissheit.) Ich konnte meinen Augen auch gar nicht trauen, denn sie waren schlichtweg nicht vorhanden. Dafür aber eine glühend rote und behaarte Masse in Kopfform die ich verschwommen und nach einiger Überlegung als meine eigene Fratze identifizierte. Ich holte aus meiner Short einen verkrümmelten und übel riechenden Joint und entspannte mich erst mal ordentlich. Aber so schnell, wie die Preußen schießen, waren wir angekommen. Mainz. Was für ein Drecksloch.
Mittlerweile war es früher Abend. Noch zwei Stunden bis zum Auftritt. In einer triefenden Hafenkneipe. Was soll eigentlich dieser ganze Hafen-Scheiß? Ein Meer konnte ich beim besten Willen nicht entdecken. Linkslinkes Fußballgesocks, wohin man blickt. Nicht dass ich etwas gegen Fußballmarxismus hätte, aber weder das eine noch das andere lässt sich miteinander verbinden. Wann begreift ihr das endlich und beginnt, euch Gedanken über wichtige Dinge zu machen, Idioten? "Hast du dir überlegt, was wir heute auf der Bühne machen?" Scheiße. Konzeptzwang. "Nein, was soll’s? Beschimpfen wir doch einfach diesen Drecksverein Mainz 05, holen wir uns die Kohle und fahren weiter. Mehr haben die nicht verdient." Gesagt getan. Nach sieben Minuten war die Stimmung dermaßen am Brodeln, dass wir so schnell wie möglich verschwinden mussten. Der Veranstalter war von der Performance weniger begeistert als wir selbst. Als er sich sträubte, das Fahrtgeld rauszurücken, entschieden wir uns für die direkte Überweisung. Bar auf die Hand und via Bahre ins Krankenhaus. Noch schnell ein paar Kisten Bier geklaut und auf zur Übernachtungsmöglichkeit.
Wir betraten den Plattenbau und keucthen bis in den 17. Stock. "Mach schon, der Sammler mag’s nicht, wenn man ihn warten lässt." Der Sammler. Seit vier Jahren hat er die Wohnung nicht verlassen. Der Wundbrand beginnt, ihn aufzufressen. "Hinsetzen". Er begrüßt uns gewohnt freundlich. Einige Stunden und Rezeptmedikamente später legte er die letzte Sprachplatte auf. "Hier haben wir was Gutes." "Muss das sein?" "Halt die Schnauze, oder ich ruf die Bullen!" Diese Deutschen und ihre direkte Art… Ich machte es mir zwischen den fauligen Bandagen gemütlich und schlief mit offenen Augen, in die mir in periodischen Abständen gehaltvolle Flüssigkeiten eingetröpfelt wurden.
Keinen Tag länger wollte ich hier bleiben. Nach einem ausgiebigen Frühstück im Wohnzimmer der senilen Nachbarin nahm ich noch einige "Alles Liebe, dein Enkelsohn Walter"-Fresspakete mit und wir fuhren weiter. Nächste Station: Bamberg.
Die katholische Kirchturmhölle brachte mich erneut zum Schwitzen. Dabei waren wir noch nicht mal ausgestiegen. "Wo sollen wir denn hier schlafen?" "Ich kenn jemanden, mach dir keine Sorgen." Aber die machte ich mir. Zu Recht, wie sich letztlich heraus stellte. "Wer ist da? Egal! Verschwindet, oder ich vergess mich!" "Das wäre ja nichts Neues. "Mach' schon auf! Besuch aus Wien ist da!" Wir betraten das 15 Quadratmeter große Dachbodenabteil und stiegen über aufgerissene "Essen auf Rädern"-Packungen mit DMark-Preisetiketten. "In Ordnung. Aber verschwindet bald wieder." Der Maler, Freundlichkeiten niemals abgeneigt. "Was machst du so?" "Na was wohl! Ich male." Wir betraten das Atelier. Es roch wie in einer still gelegten Metzgerei. "Das ist der Biber-Zyklus, schön nicht?" Ich kotzte schon, bevor ich das ganze Ausmaß des Grauens vor meinen Augen wahrnehmen konnte. Zwei zerfleischte Biber wurden mit Gafferband an eine Leinwand geklebt und anschließend mit der eigenen Magensäure eingerieben. Was für ein Anblick. "Verkaufst du den Dreck?" "Natürlich. Glaubst du, ich mach das zum Spaß?" Eigentlich eine logische Antwort. "Können wir hier schlafen? Wir haben noch Auftritt und wollen nachher nicht weiter fahren." "Macht was ihr wollt, ihr könnt in der Küche pennen. Aber Finger weg von den Fellen! Ohne die erfrier ich noch!"
Selbes Programm, selbes Procedere in punkto Fahrtengeld. Als wir danach vergeblich ein nettes Etablissement mit ukrainischer Bedienung suchten, gingen wir zur temporären Unterkunft. Die blutverschmierten Scheiben ließen uns an der Qualität des Schlafplatzes zweifeln. Aber wir hatten keine Wahl. In einem Hotel wurden wir schon seit Jahren nicht mehr aufgenommen. "Was wollt ihr hier, verschwindet!" "Aber du hast gesagt, wir können hier pennen, erinnerst du dich nicht!" "Nein, haut jetzt ab, ich habe zu arbeiten." "Woher kommen diese Geräusche? Klingt irgendwie nach Schafen." "Und dieser Gestank, hast du dich angepisst?" "Ja, aber das geht dich nichts an, du Arschloch! Verschwindet! Und lasst ja die Finger von meinen Fellen, sonst vergess ich mich!" Das wollte ich gerne glauben.
Wir schliefen im Wagen. Morgens wurden wir von einem zuvorkommenden bayrischen Polizisten geweckt, dessen Bierfahne schlimmer war als die unsere. Was soll das denn heißen, eine Insel ist nicht zum Parken da? Diese Deutschen, obrigkeitshörige Lakaien!
"Es geht weiter, mein Lieber, wir sind noch nicht fertig." Oh doch, das war ich. "Ich kann nicht mehr. Ich halte das nicht länger aus." "Was denn, machst du schon schlapp? Ich dachte, du hältst mehr aus." "Es sind ja nicht die Drogen und unsere Bekanntschaften, es ist dieses Land. Ich werde noch wahnsinnig." Und das wäre ich ohne die beruhigenden Valiummengen, die wir der Nachbarin des Sammlers geklaut haben, noch viel schneller passiert. Das deutsche Volk scheint derzeit völlig wahnsinnig zu werden. Alles wird schwarz-rot-gold zugeschissen und die Neo-Nationalisten a la Pocher und Sportfreunde Stiller kriechen aus ihren verdreckten Löchern und überschütten die Welt mit positivistischem Fußballgekreische. Vergesst ja nicht eure Schuld, meine Freunde! Was habt ihr denn sonst? Österreich war ja nur das Rohstofflager des Völkermords.
"Du wirst sehen, wir kommen jetzt nach Berlin. Da ist alles besser." Von wegen. Angekommen in Kreuzberg sah ich in die Fratze des neu auferstandenen Volksstolzes. Ausländer mit Deutschlandtrikot! Überall, wo man hinblickt! "Hey, Deutscher, weißt du, dass für die WM dutzende von Gesetzen einfach außer Kraft gesetzt werden?" "Machen Sie mir ja nicht unser Land schlecht, wa? Ich bin nämlich stolz drauf, ja, hör du mir bloß auf, mit deinem Pessimismus!" Wir mussten raus. Die letzte Nacht mussten wir durchmachen, da unser Bekannter, ein bekennender Schweißfetischist zu einem Studienaufenthalt in die äußere Mongolei aufgebrochen war und unser Auto schon abgeschleppt wurde, als wir noch nicht mal den Motor ausgemacht hatten. In der "Wulka-Bar" freundeten wir uns noch schnell mit tschechischen Gesellschaftsdamen an, die uns dummerweise unsere letzten Ersparnisse klauten. Wie es der Zufall so wollte, fanden sich jedoch am Nebentisch zwei kroatische Fußballfans, deren Tickets wir uns kurz ausborgten ("Wie sehn’ die eigentlich aus?"). Mit dem Verkaufserlös konnten wir bequem nach Wien fliegen und die Stewardessen noch zu einer Nachbesprechung im Hangar überreden.
"Gehn’ wir morgen zum Sportklub-Spiel?" "Nein, Li hat keine Lust auf Fußball." "Wer zum Teufel ist denn Li?" "Das würde jetzt zu weit führen." (grr)
 
Comments:
das ist doch immer das gleiche mit euch abgefuckten schluchtenscheißern. da versucht man nett und freundlih zu sein und sich als ehrenwerter gastgeber zu präsentieren (was bei ösi-gästen eh schon schwer genug ist) und dann sowas.
 
Gestern klärte mich ein deutscher Christen-Eso-Faschist darüber auf, dass wegen Hartz IV jetzt alle Ausländer Geld kriegen, aber die Blinden nicht mehr mit dem Bus fahren dürfen. Und er hört Böhse Onkelz. Das alles hat mich schon erschüttert. :-)
 
Ey raf/grr/sas/foz

hat einer von euch bock ne story weiterzuschreiben in der jede Episode von nem anderen Autor verfasst wurde, Teil 4 ist in meinem Blog zu finden, für Teil 5 wäre eine Gonzo sicherlich interessant
 
Bin auch dafür. Eventuell können wir für Teil VI auch Pat Bateman reaktivieren. Ich arbeite dran.

Jedenfalls lerne ich ständig neue Blogs kennen. Und dann auch noch hochwertige...ich bin überrascht.
 
@dav... ja... nette idee... ich denke das ist etwas für unseren chefliteraten ... hr. foz... also fözzli.. hau rein.
 
dem deutschen volke passiert viel - mehr als dem deutschen hanse. stadt dass er aufgibt macht er weiter. nicht in hamburg wo er hingehört und schreiend pisst er, wo andere kuchen backen. "auer!" sein schreck ob den biss in den arsch. das selbe gefühl wenn sich der ösi das hartz von der vorhaut reisst, dieser zapfenficker. volke hat andere sorger - der gast wirts scho schaffe, schliesslich is er deutscher hier als anderswo!
 
Schöner Text. Kreativ und mit einem guten Flow. Schön.
Gruß
Rthelen@gmx.net
 
Bush and the Republicans were not protecting us on 9-11, and we aren't a lot safer now. We may be more afraid due to george bush, but are we safer? Being fearful does not necessarily make one safer. Fear can cause people to hide and cower. What do you think? How does that work in a democracy again? How does being more threatening make us more likeable?Isn't the country with
the most weapons the biggest threat to the rest of the world? When one country is the biggest threat to the rest of the world, isn't that likely to be the most hated country?
Our country is in debt until forever, we don't have jobs, and we live in fear. We have invaded a country and been responsible for thousands of deaths.
We have lost friends and influenced no one. No wonder most of the world thinks we suck. Thanks to what george bush has done to our country during the past three years, we do!
 
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